Beziehungen auf tantrische Prinzipien Gründen

von Ngak’chang Rinpoche & Khandro Déchen

Wir sind an einer gesunden Einführung von Vajrayana im Westen interessiert, und zu diesem Ziel haben wir eine Erklärung der Verantwortlichkeit abgegeben, die für alle Lehrer der Konföderierten Sanghas von Aro gilt. In dieser Darlegung erklären wir die fünf Grundsätze zum Leitfaden für unser Verhalten als Lehrer. Diejenigen, die unsere Kommentare zu den fünf Grundsätzen kennen, werden bemerkt haben, dass die Sprache, die wir benützen, speziell ist. Die Einzelheiten des Textes jedoch sind traditionell. Es ist speziell, wie sich die Grundsätze zu den Inneren Tantras verhalten im Ug mDong Kha’gro mDo (Uluka-mukha Sutra: „Uluka“ bedeutet „Eule“ und „mukha“ bedeutet „gesichtig“ – also: Sutra der Eulenköpfigen Dakini). Die eulenköpfige Dakini ist der zentrale Yidam (Gewahrseinswesen) und Beschützerin der inneren Sutralehren. Diese Belehrungen (in Bezug zur Sexualität) werden in Einzelheiten im Buch „Entering the Heart of the Sun and Moon“ behandelt („ Eintreten in das Herz von Sonne und Mond‘, erscheint demnächst – Aro Books, 2009).

Im Uluka-mukha Dakini Sutra ist der Grundsatz, der sich mit sexuellen Fehltritten befasst, speziell mit dem Khandro Pawo Nyi-da Mélong Gyüd verbunden. Im Nyi-da Mélong wird erklärt, dass die „Pawo-Khandro Spiegelung“ durch mehrere Partner innerhalb der selben Zeit getrübt wird. Darum raten wir dringend von „offenen Beziehungen“ ab. Es wird als unmöglich angesehen, das Khandro Pawo Nyi-da Mélong Gyüd zu praktizieren, wenn man in seiner Beziehung nicht monogam ist (monogame Beziehungen nacheinander sind absolut akzeptabel). Monogamie wird befürwortet, weil das tiefgründige Nyam der Khandro-Pawo-Spiegelung durch das wechselwirkende Aufblitzen innerhalb des Tralam-mé der Individuen entsteht, die sich verlieben (khra lam me – „poetische Turbulenz“ oder „lebhaftes Feuer des Widerhalls“). Tralam-mé ist die energetische Atmosphäre des Körpers. Diese „poetischen Turbulenzen“ erleichtern die Spiegelung durch das sich Reimen ihres Aufblitzens. Diese feine, aber mächtige Wechselwirkung erlaubt Zugang in die visionäre Dimension, in welcher unser innerer Pawo oder unsere innere Khandro verwirklicht werden können. Durch diese Methode und durch die in den Spiegel starrende Methode des Nyi-da Mélong können wir mit besonderer Leichtigkeit Verwirklichung erlangen. Aber – die mächtigen Kennzeichen oder das Aufblitzen dieser „poetischen Turbulenzen“ können zerstört werden durch die Verfälschung mit mehr als einem Muster des Aufblitzens. Wenn dieses Aufblitzen oft genug verfälscht wird, kann man die Fähigkeit, die Pawo-Khandro-Spiegelung zu erfahren, komplett verlieren. Bei der Anfängerpraxis wird man vermutlich seine sinnliche Flauheit nicht bemerken, aber für jeden mit Erfahrungen jenseits Shi-né wird die nachteilige Wirkung offensichtlich. Das ist ein ernstes Problem für Praktizierende in dieser Linie. Menschen, die in ihrem Leben regelmäßig mehrere Beziehungen gleichzeitig haben, waschen ihr Srog ( Lebensenergie) nach und nach aus. Solche Menschen werden zunehmend nörgelnd, streitlustig und empfindlich. Sie werden unharmonisch innerhalb von Freundeskreisen und sind unfähig, den Wünschen oder Ideen anderer zuzustimmen. Menschen, die verfälschte Beziehungen haben, schaden nicht nur ihrer eigenen Fähigkeit, die Pawo-Khandro-Spiegelung zu erfahren, sondern auch der ihres Partners. So geht es nicht einzig nur darum, sich selber durch mehrfache sexuelle Beziehungen zu schaden. Und das ist noch nicht alles – flirtendes Benehmen, auf welcher Stufe auch immer, ist ebenfalls schädlich, wenn es von sexuellen Projektionen begleitet wird (obwohl weniger stark).

All unsere Sinne und ihre dazugehörigen Sinnesfelder sind in ständiger sexueller Vereinigung. Doch obschon das wahr ist, müssen Praktizierende der inneren Tantras sich daran erinnern, dass diese Aussage nichts mit Projektionen von sexuellen Fantasien auf Männer und Frauen, die nicht unsere Partner sind, zu tun hat. Wenn wir uns erotischen Fantasien über Männer und Frauen hingeben, die nicht unsere Partner sind, verfälschen wir unser Tralam-mé. Das Wort „adulterate“ bedeutet „verwässern“, „verdünnen“, und es ist interessant, dieses Wort mit „adultery“ (Ehebruch) zu verbinden, um ein tieferes Verständnis des Wortes zu finden. Unser Standpunkt in Bezug auf Ehebruch ist nicht moralisch. Wir gehen nicht zu einem spröden, scheinheiligen Stil der viktorianischen Zeit zurück. Wir sagen nicht, dass man nicht eine Folge von Versuchen von Beziehungen innerhalb seines Lebens haben kann, – sie sollten einfach nacheinander sein und sich nicht überlappen. Wir sollten Sexualität mit Respekt, Güte und Offenheit angehen. Man muss sich klar darüber sein, dass die Alternative zum Zölibat im Buddhismus nicht eine egoistische Befriedigung seiner Wünsche auf Kosten anderer ist. Wir können sexuelle Verfehlungen in Kleider mangelnder moralischer Hemmungen oder in Kleider der Freiheit stecken, aber sie bleiben trotzdem ein Hindernis beim Praktizieren. Das ist eine wichtige Aussage, denkt man an die hohe Achtung, die man zölibatären Praktizierenden für ihre Disziplin entgegenbringt Für einige könnte es so etwas wie ein Schock sein, wenn sie erkennen, dass die Nichtehelosigkeit ein anspruchsvollerer Weg ist, gespickt mit riesiger und subtiler Disziplin. Es sollte genau verstanden werden, dass wir als Ngak’phang-Sangha nicht eine einfachere Wahl getroffen haben. Dem monastischen Weg zu folgen ist unkomplizierter und einfacher. Er ist genau so gegliedert und gestaltet, dass er das Individuum unterstützt, während die Struktur von Tantra endlos viele Nuancen von Realität umfasst als Spiel von Genauigkeit und Leidenschaft.

Erleuchtete Wesen sind auf diese Art offensichtlich nicht eingeschränkt. Buddhas wie Padmasambhava und Yeshé Tsogyel sind fähig, sich mit mehreren Partnern zu verbinden, weil ihre Tralam-més nicht-dual sind und daher nicht zerstört werden können. Das Tralam-mé eines erleuchteten Wesens ist vom Mitgefühl her „chamäleonartig“ und tanzt mit der „poetischen Turbulenz“ jedes Menschens, der offen ist. Alles, was passiert, wenn Buddhas Sexualität einsetzen, ist, dass diese Wesen riesig bereichert werden. Buddhas können anderen Wesen durch Sexualität in vielen Zusammenhängen nützen; aber wenn man nicht vollständig erleuchtet ist, ist „multipler“ sexueller Kontakt schädlich. Mahasiddhas der Vergangenheit wie Drukpa Kunlegs, Do-Kyentsé Yeshé Dorje und Trungpa Rinpoche waren zu solch außerordentlichen Handlungen fähig und bereicherten zahllose Wesen damit. In der heutigen Zeit haben Meister wie Kyabjé Künzang Dorje ohne Zweifel ebenfalls solche Fähigkeiten. Aber gewöhnliche Praktizierende wie wir sind nicht fähig zu solch herrlich erleuchtetem Tun. Wir müssen unsere Bedingungen erkennen und entsprechend handeln. Es wird in mehreren Texten dargelegt, dass es ein schwerwiegender Fehler ist, die äußeren, außergewöhnlichen Aktivitäten von Wesen zu imitieren, deren Verwirklichung die eigene übersteigt.

Wir sind Lamas von dürftiger Fähigkeit, daher bleiben wir innerhalb unserer Beschränkungen. Wenn Lehrer über ihre Fähigkeiten hinausgehen, so sind es deren Schüler, die leiden, und wir fühlen, dass es wichtig ist, dass Apprentices innerhalb der Konföderierten Aro Sanghas das verstehen. Weil wir als die Linien-Lamas des Aro gTér nicht die Verwirklichung haben, offen zu sein für andere sexuelle oder romantische Möglichkeiten, haben wir eingeführt, dass auch unsere Schüler, die lehren, ganz freudvoll und unreserviert monogam sind. Wir sind glücklich monogam und haben vor, es das ganze Leben zu sein. Niemand von uns beiden hat bis zum heutigen Zeitpunkt je etwas anderes gewählt. Es könnte hilfreich sein, das zu wissen. Es könnte auch hilfreich sein, zu wissen, dass wir Alkohol nicht umwandeln können wie die Mahasiddhas und dass wir deshalb das, was wir trinken, beschränken. Weil wir keine außergewöhnlichen erleuchteten Aktivitäten zeigen können, sollten diejenigen, die uns als ihre Lehrer anschauen, ebenfalls nicht versuchen, solche zu imitieren. Auch wenn es nicht für das Testament des „Ug mDong mDo“ wäre: als Folge von „offenen Beziehungen“ haben wir schon so viel Schmerz und Verwirrung gesehen. Jede „offene Beziehung“, die wir miterlebt haben, hat Leid gebracht, entweder den beiden Partnern selber oder denjenigen Menschen, die sich vorübergehend eingelassen haben.

Neben den Belehrungen über Tralam-mé gibt es noch viele erstaunliche Belehrungen innerhalb des Nyi-da Mélong. Bei diesen Praktiken braucht man Gomtags (Meditationsgurte) und Mélongs (runde Spiegel). Ein Thangka mit dieser Haltung wird auf dem Titelbild von „Entering the Heart of the sun & moon“ (In das Herz von Sonne und Mond eintreten) erscheinen. Bilder wie dieses Thangka wurden bisher im Westen selten gesehen. Eine Ausnahme ist eine kleine Sammlung in Namkhai Norbu Rinpoches Buch: „Crystal and the Way of Light“ (Der Kristall und der Weg des Lichtes), fotografiert im Tempel des fünften Dala’i Lama in Lhasa.

Manchmal sieht man in alten Thangkas Beispiele von Long-dé Stellungen, aber im allgemeinen werden sie geheim gehalten. Ohne Übertragung oder das innere Wissen, wie sie in Bezug zum rTsa rLung System funktionieren, ist es nicht möglich, sich diese Stellungen zu Nutze zu machen. Es gibt Druckpunkte, die auf der Ebene von rTsa rLung wirken. Solche Methoden werden nur an kleine, ausgewählte Gruppen weitergegeben.